Montag, 2. April 2018

Filmkritik: Vernetzt – Johnny Mnemonic (1995)

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Die 90iger Jahre waren filmtechnisch ein Jahrzehnt der Cyberpunks: Matrix, Der Rasenmähermann, oder halt Johnny Mnemonic waren nur einige der wichtigsten Filme. Während der Durchschnittsbürger noch auf seinem Amiga, 486er oder gar Pentium PC werkelte, war Hollywood gefühlte 10 Schritte weiter. Aber so unterschiedlich die Filme auch waren - eines hatten sie gemeinsam: Mit der aktuellen Realität haben sie wenig zu tun. So auch Johnny Mnemonic. Dieser lädt sich 320 Gigabyte auf ein Implantat in seinen Schädel und wird schier wahnsinnig. Das wir inzwischen 2 Terrabyte wesentlich bequemer in der Hosentaschen befördern können hat damals keiner geahnt. Aber wie hätte man es wissen sollen? Bei 300 MB Festplatten, die 5 1/2 Zoll groß sind und USB noch nicht einmal erfunden wurde. Wie auch immer. Wir alle wissen, Prognosen sind schwierig - besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Und bei technischen Vorhersagungen trifft dies erst recht zu.
Das Internet im Jahre 2021: Schon längst gibt es keine klare Grenze mehr zwischen der realen Welt und dem Cyberspace. Während die Seuche NAS immer größere Teile der Menscheit dezimiert und sich schneller ausbreitet als jeder Computervirus gibt es einige Menschen, die ganz andere Probleme haben. Hierzu gehören die sogenannten Mnemonics. Zu diesen Datenschmugglern gehört auch Johnny. Gegen entsprechende Gebühren schmuggelt er Daten rund um den Globus. Geladen sind die Daten in seinem Kopf auf einem sogenannten Daten-Implantat. Doch diesmal wartet ein Spezialauftrag: Mittels eines Dopplers, soll er anstatt der üblichen 160 Gigabyte schlappe 320 GB in seinen Kopf laden. Gesagt getan - immerhin lockt eine anständige Belohnung durch seinen Vermittler Ralfi (übrigens wunderbar gespielt von Udo Kier). Johnny hat also seinen Schädel mit Daten vollgepumpt: Nicht wissend, um welche brisante Dateien es sich handelt wird er schon kurz da drauf von der chinesischen Mafia um die halbe Welt gejagt. Erst am Ende wird klar, was Johnny sich da in den Kopf geladen hat.
Zunächst sollte man erst einmal alles ausblenden, was angeblich im Jahre 2021 technisch gesehen so möglich - oder eher unmöglich ist. Zumindest aus heutiger Sicht. Das wird uns in 3 Jahren unter Krämpfen Datenmengen - die geringer sind als die einer handelsüblichen Festplatte - in den Kopf laden ist nahezu ausgeschlossen.
Atmosphäre kommt trotztdem auf. Während Johnny Mnemonic - aus der Perspektive von 1995 gesehen - als Cyberpunk-Thriller in einer möglichen Zukunft spielt, ist er heute ein reiner Fantasy Thriller, der in einem digitalen Parallel-Universum spielen könnte. Zu absurd sind die Ideen um den Film wirklich ernst zu nehmen. Aber vielleicht gerade deshalb: Johnny Mnemonic macht Spaß. Und das nicht zu knapp. Neben der für damalige Zeiten neuen Idee sorgen vor allem viele Gastauftritte aus der B-Movie-Szene dazu bei, dass der Zuschauer sich wohl fühlt: Takeshi Kitano, Dolph Lundgren und Udo Kier sind hier die bekanntesten Gesichter. Johnny Mnemonic ist der Film, der kein Remake braucht - und sicher auch keines bekommt. Er steht für sich und ist auch heute noch - nach bald 25 Jahren ein kleiner Genremeilenstein - wenn auch mit ordentlichen B-Movie Charme. Für Fans die Cyberpunk mögen - oder besser ausgedrückt "Retro-Cyberpunk" - ist Johnny Mnemonic eindeutig Pflicht.
Für Regisseur Robert Longo stellt übrigens Johnny Mnemonic den einzigen Ausflug ins Filmgenre dar. Longo ist nämlich Maler und Videokünstler. Neben einigen Videoproduktionen kann man sein Schaffen vor allem in internationalen Kunst-Galerien begutachten. Aktuell zum Beispiel auch in Hamburg in den Deichtorhallen. Wer noch nie 2 Meter hohe Kohlezeichnungen zu gesellschaftskritischen Themen gesehen hat, hat aktuell die Chance dazu. Ein Wort sei noch zur Umsetzung der DVD / Bluray gesagt: Als Rezensionsexemplar hat mir das Mediabook von Turbine gedient. Dieses glänzt - wie von Turbine gewohnt - mit einer liebevollen Aufbereitung. Neben dem Hauptfilm in einer neu gemasterten HD-Qualität gibt es noch die (bis jetzt in Europa unveröffentliche) japanische Fassung als Bonus dazu sowie diverse kurze Interviews mit allen Beteiligten. Johnny Mnemonic ist auch nach über 20 Jahre nach dem Erscheinen ein Filmtipp an alle Freunde des Science Fiction, die sich auch mit weniger Anspruch begnügen. filmdetails

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